Der Einfluss des neuen Bauvertragsrechtes auf die Nachtragsgestaltung

Interview mit Dipl.-Ing. (FH) Christian Geiger, MCE CONSULT AG

Auszug:

Einführung des neuen Bauvertragsrechtes zu Beginn des Jahres 2018

Welche Erwartungen hatten Sie damals bei der Einführung bzw. womit haben Sie gerechnet oder auch nicht gerechnet? In welchen Paragraphen sehen Sie Schwierigkeiten?

Persönlich habe ich mir eine Verbesserung gegenüber den bisherigen Problemstellungen, welche sich bei der Realisierung von Bauverträgen ergeben, versprochen. Die allgemeinen Regelungen des bisherigen Werkvertragsrechts in Kombination mit der seit langem grundsätzlich bewährten VOB/B wiesen in der Praxis zahlreiche Probleme auf.

So ist es selbstverständlich, dass Bauprojekte sich dadurch auszeichnen, dass es sich dabei um Unikate handelt. Selbst bei ähnlichen Projekten mit Wiederholungscharakter sind aufgrund veränderter Randbedingungen, wie dem Ort (beispielsweise der Baugrund) und dem Zeitpunkt der Erstellung (beispielsweise die Witterung) keine stationären Randbedingungen, wie in anderen Bereichen der Wirtschaft, gegeben. Daraus resultierend kommt der Planung eine hohe Bedeutung zu. Es ist jedoch aufgrund der damit verbundenen Komplexität unausweichlich, dass bei einem Bauvertrag Änderungsmöglichkeiten bestehen. Dazu hatte das Werkvertragsrecht bislang keine ausreichend praktikablen Möglichkeiten, diese zu realisieren. Die Möglichkeiten der seit 1926 vorhandenen VOB/B hingegen, welche die wesentlichen Besonderheiten des Bauens berücksichtigte, waren in puncto Leistungsänderung regelmäßig kritisiert worden, da zwar die Möglichkeit besteht, Leistungen zu ändern oder im Vertrag nicht vereinbarte Leistungen unter bestimmten Randbedingungen einseitig durch den Auftraggeber zu fordern, jedoch waren die sog. Anordnungsrechte regelmäßig als zu einseitig angesehen worden. Das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung (Anordnung) und Gegenleistung (Vergütung) wurde heftig diskutiert. So gilt das Prinzip, dass die Anordnung ohne eine abschließende Klärung der Vergütung möglich ist, wenn auch nicht gewollt. In der Praxis besteht häufig Streit über die Vergütung mit der Folge, dass zunächst der Auftragnehmer in Vorleistung gehen muss, ohne zu wissen, welche Vergütung ihn erwartet. Aus meiner Sicht sind oft fehlendes Vertrauen und ein falsch verstandenes Vertragsverständnis die Ursache für entsprechende Streitigkeiten.

Meine Erwartung war daher eine ausgewogenere Lösung der komplexen Thematik aus der Möglichkeit, Anordnungen zu Leistungsänderungen und deren Vergütung zu finden.

Diese ist insofern gelungen, als dass es hierzu eine sowohl vom bisherigen Werkvertragsrecht nunmehr abweichende, neue, als auch vom bisherigen Dogmatismus der VOB/B inkompatible Lösung gibt. Der derzeitige Zustand, dass die VOB/B nach wie vor insbesondere bei öffentlichen Auftraggebern angewendet werden muss, ist in der aktuellen Fassung der VOB/B (Fassung 2019) derzeit absolut unbefriedigend. Generell sind die Lösungen des neuen Bauvertragsrechtes zu begrüßen. Jedoch sind auch hier Probleme in der Praxis zu erwarten. Die neuen Regelungen sind ein klarer Appell an die Vertragspartner zu einer zukünftig höheren Kooperationsbereitschaft.

(…)

Inhaltsübersicht:

Rückblick
Einführung des neuen Bauvertragsrechtes zu Beginn des Jahres 2018

Gegenwart/ Forschung
Aktuelle Entwicklung im Nachtragsmanagement

Ausblick / Zukunft
Vertragsmanagement zu Beginn eines Bauvorhabens verstärken

 

Veröffentlichung: 1. Auflage 2021

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